Fesselnd. Bewegend. Täuschend echt. Unser Zeitgeschichtliches Forum Leipzig entführt seine Besucher*innen in ein Land vor unserer Zeit. Auf 2.000 m² werden in der fast täglich geöffneten Dauerausstellung die unzähligen unvergessenen Besonderheiten der DDR erlebbar gemacht. Mit all ihren Licht- und Schattenseiten taucht die Hauptausstellung ganz tief ein in die Historie Osdeutschlands und explizit Leipzigs – und rührt Jugendliche und ihre Mitmenschen, die diese Zeit hautnah erlebten, dabei nicht selten zu Tränen.
Das Zeitgeschichtliche Forum liegt nur einen Steinwurf vom Leipziger Marktplatz entfernt. Ein modernes Gebäude, gerahmt von Historie, lädt ein, die Geschichte von „Diktatur und Demokratie nach 1945“ mit eigenen Augen, Ohren und dem Herzen begreifbar zu machen.
1. Objekte anstelle von Vitrinen | So wurde in der DDR gelebt
Soweit das Auge reicht, durchdringt das DDR Lebensgefühl im Zeitgeschichtlichen Forum die Wände. Hier lauern keine verstaubten Glasschaukästen, sondern Geschichten des originalen Lebens vor 1990. Ein detailgetreu eingerichtetes DDR-Wohnzimmer, das in-und-auswendig gekannte Kaufhallen-Repertoire, der Plattenkoffer voller Lieblingsmusik. Erinnerungen, die trotz aller Widrigkeiten das Herz berühren.
In Summe zählt die Ausstellung 2.000 Objekte, Fotos und Filme die veranschaulichen, wie die Geschichte des geteilten Deutschlands und die Zeit nach der Wiedervereinigung sich anfühlte und auf Miteinander und Alltag auswirkte.
2. Geschichte verbindet | Abiturient*innen und ergriffene Erinnernde
Voller Neugier bahnen sich 25 Geschichts-Abiturient*innen ihren Weg durch die Ausstellung. Alles wird ausprobiert, angehört und interpretiert.
Zum dritten Mal sind wir bereits hier. Mich haben die Erzählungen meiner Eltern schon immer gefesselt. Hier bekommt alles ein Gesicht, was ich mir sonst nur vorstellen konnte.
Johann, 18 Jahre alt, Schüler des Gymnasiums am Palmengarten
Etwas ruhigeren Schrittes bahnt sich die ältere Generation ihren Weg durch die Jahrzehnte. Ehrfürchtig und gleichsam aufgewühlt erforscht ihr Blick jeden Baustein der unvorhergesehenen Zeitreise. Die Eindrücke gehen nicht spurlos an ihnen vorbei.
3. Staunen statt nur schauen | Aktiv in der Geschichte unterwegs
Der Rundgang ist eine regelrechte Reizexplosion. In Videos erzählen ehemalige Stasi-Mitarbeitende, wie sie heute auf ihr Tun blicken. Einen Moment der Atemlosigkeit kreiert der Anblick echter Geruchsproben, die von über 10.000 Menschen in Gläsern konserviert wurden.
Die teddyweichen Bezüge der Trabi-Rückbank lassen Erinnerungen wach werden und die überlebensgroße Panzerabwehrkanone hätte hier mitten in der Innenstadt auch niemand in der 2. Etage vermutet.
4. Bildliche Kulissen inszenieren die Lebensrealität der DDR
Der Spind einer jungen Arbeiterin steht halb offen. Darin hängen fein säuberlich die Dederon-Schürzen, als würde sie jeden Moment zurückkehren. Die uralte Nähmaschine steht zwar still, doch der Geruch vergangener Arbeitstage in der Produktion liegt hier noch in der Luft.
Zahlreiche Fotoaufnahmen an den Wänden helfen den Gästen, historische Geschehen zu rekonstruieren.
Der chronologische Ausstellungsrundgang beginnt mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Staatsgründung und führt Step by Step durch die 50er, 60er, 70er, 80er und 90er Jahre, die schließlich von unfassbarem Aufbruchsgeist und niederschmetternder Ernüchterung geprägt waren.
5. Zeitzeug*innen erwecken tiefstes Mitgefühl
Sie waren damals dabei. Und durch ihre Worte, Videoaufnahmen oder Briefe können wir auch heute noch an ihren einschneidenden Erfahrungen teilhaben. Die höchst individuellen und mitunter sehr privaten Geschichten zeigen, wie sich politische Ereignisse auf das Leben der Menschen auswirkten.
Eins der unzähligen Opfer beschreibt in einer Installation, wie ein unscheinbarer Transporter „Staatsfeinde“ unbemerkt zu Haftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit brachte. Die wenige Kilometer lange Fahrt dauerte oft Stunden. Die Häftlinge wurden mit ihren Ängsten allein gelassen, sie sollten völlig die Orientierung verlieren.
Der direkte Weg ins Gefängnis nach Berlin-Hohenschönhausen hätte 40 Minuten gedauert. Doch sie fuhren uns fünf Stunden lang im Dunkeln durch die Stadt, damit wir das Orts- und Zeitverständnis verloren. Und vor allem fuhr da auch die Angst mit. Wir hatten alle wahnsinnige Angst.
Mario Röllig
6. Mehrsprachige Ausstellung, die auch ohne Worte erlebbar ist
Der nicht-muttersprachliche Besucher*innen-Anteil ist erheblich. Italienisch, Englisch und Französisch ertönen im Wechsel, während man sich durch den Rundgang navigiert. Die vielen internationalen Besuchenden sind eine wahre Bereicherung für das Zeitgeschichtliche Forum und verdeutlichen, dass eine Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht nur für Leipziger*innen brisant bleibt.
Ein Grund mehr, warum es nicht „Zeitgeschichtliches Museum“ heißt. Ein Forum schafft vielmehr einen Raum, wo Fragen gestellt und beantwortet werden, um Menschen, Ideen und Meinungen miteinander in einen Austausch zu bringen. Der Charakter einer Begegnungs- und Kommunikationsstätte wird auch durch die unzähligen öffentlichen und kostenfreien Veranstaltungen (wie Lesungen, Debatten oder Filmvorführungen) deutlich.
7. Wissen schafft Brücken | Empathie und Dialog über Generationen hinweg
Nur wer weiß, wie es war, kann verstehen, was es bedeutete in der DDR groß zu werden. Je nachdem, wie lebendig die familiäre Erinnerungskultur ist, finden Überlieferungen dieser jüngsten Vergangenheit bis heute statt – oder bleiben ganz und gar aus. Dass uns das eigene Land von vor 50 Jahren so fremd scheint, ist eine Einladung, ins Gespräch zu kommen.
Ich bin überwältigt. Wir kommen aus Lüneburg und es war alles andere als zu erwarten, was sich hinter diesem unscheinbaren Eingang auftut.
verrät mir Marlene, eine Rentnerin mit tränennassen Augen
8. Hier ist alles kostenlos | Aber nichts umsonst
Sowohl die Dauerausstellung „Unsere Geschichte. Diktatur und Demokratie nach 1945“ als auch sämtliche Sonderausstellungen wie die momentane Fotoausstellung „UNABHÄNGIGKEIT! Fotografien aus der Ukraine 1991 – 2022“ kosten keinen Eintritt und ihr könnt solang darin abtauchen, wie eure Neugier sprießt. Eine herrliche Schlecht-Wetter-Alternative zur Stadtbibliothek.
Das einfühlsame Programm umfasst vom Erzählcafé über Filmvorführungen und Diskussionen bis zum Poetry Slam ein breites Angebot. Auch hier wird im Zeitgeschichtlichen Forum kein Eintritt verlangt.
9. Audioguide und praktische Helferlein in der Ausstellung
Um die Erlebbarkeit des Zeitgeschichtlichen Forums so barrierearm wie möglich zu realisieren, gibt es einen Audioguide in Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Auch Menschen mit Sehbeeinträchtigung können über die deutschen Audiodeskriptionen teilhaben. Personen mit Hörbeeinträchtigungen nutzen einen Audioguide in Deutscher Gebärdensprache mit fünfundzwanzig Stationen.
Wem es schwer fällt, die Inhalte des Rundgangs zu erfassen, dem steht ein Audioguide in „Leichter Sprache“ zur Verfügung.
Trotz Dauerausstellung in der 2. Etage ist das gesamte Forum rollstuhlgeeignet und auch Blindenhunde sind in den Ausstellungen erlaubt.
9 Gründe, deinem Wissen über die DDR hautnah nachzuspüren
Am Ende der Zeitreise bleibt ein Druck auf der Brust. 40 Jahre Teilungsgeschichte scheinen wie im Flug vergangen. Das Zeitgeschichtliche Forum ist eine ideale Anlaufstelle, um den nachfolgenden Generationen das Lebensgefühl ihrer Eltern und Großeltern-Generation mit all ihren Aspekten des Zusammenhalts, aber auch der fehlenden Freiheit nahe zu bringen. Vielleicht sogar gemeinsam.
WANN? WIE? WO?
Zeitgeschichtliches Forum Leipzig
Grimmaische Str. 6
Leipzig (Zentrum)
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag // 9 bis 18 Uhr
Samstag und Sonntag // 10 bis 18 Uhr
Ausstellungen im Zeitgeschichtlichen Forum
Veranstaltungen im Zeitgeschichtlichen Forum