Die Vergebung in Connewitz musste im März 2023 Hals über Kopf ihren Standort in der Bornaischen Straße 33 räumen. Seit 13. Juli empfängt Andreas Strobel mit neuer Schaffenskraft seine liebgewonnen Gäste im neuen Ambiente in der Neudorfgasse 1.
Ich durchschreite ein offen stehendes Gartentor, während mich am Eingang ein Aufsteller mit den warmen Worten „Vergebung jetzt auf Bethlehem begrüßt“. Anstelle eines düsteren Raumes betrete ich eine einstige Brachfläche die sich in nur wenigen Wochen in eine Biergartenidylle verwandeln durfte.
Die neue Oase in Connewitz | Die Vergebung jetzt auf Bethlehem
Zwischen urigem, alten Baumbestand und heruntergekommenen Garagen verbirgt sich Andreas neues Kultidyll. Kleine Installationen säumen den Weg hinein in den entstehenden Hinterhof-Ausschank. Eine kleine Bar, zahlreiche beschirmte Tischlein und allerhand skurrile Augenweiden haben ihren Platz schon eingenommen und empfangen die ersten Gäste.
Täglich ab 15 Uhr darf hereinspazieren, wer Appetit auf ein frisch gezapftes hat und das kleine Versteck gefunden hat.
Aus einer Connewitzer Brache wird ein liebevoller Zaubergarten
Ein Haufen Schutt und Restmüll musste weichen, um den Ort begehbar zu machen. Der Eigentümer der kleinen Landfläche gibt Andreas sein „Go“, um das Gelände mit seinen Mitteln umzugestalten und wiederzubeleben.
Die ganzen Jahre über hat jeder, der irgendetwas zu entsorgen hatte, es einfach über den Zaun geschmissen. Und das beinhaltete, dass wir bis jetzt in etwa fünf Containern nur rein Mischmüll abtransportiert haben lassen, das Gelände erst mal so frei zu bekommen.
Dabei erfährt der liebevolle Gastwirt tatkräftige Unterstützung aus dem Kiez. Schon am Vormittag packt Andreas an, helfende Hände kommen hinzu. Die Resonanz nach dem überraschenden Aus in der Bornaischen Straße war groß, sehr groß.
Hilfe ist immer da. Dass die Sache, ich sage das bewusst so, jetzt weitergeht, das machen zum größten Teil wirklich die Leute drumherum. Also wenn sie abends kommen und alle Tische besetzt sind und das Geld rollt. Dann kann ich wieder einen Container für 700 Euro auf den Hof zu stellen. Denn so viel kostet einer. Das ist Solidarität für die Sache. Ich sage bewusst jetzt für die Sache und das läuft in diesem Viertel im Zusammenhang mit meiner Person gut, sehr gut.
Solidarität mit einer Kneipe, die ihresgleichen sucht
Die Vergebung – jetzt auf Bethlehem wird ihrer Vorgängerin nicht gleichen. Die komplette Einrichtung kann natürlich so im Freien nicht wieder aufgebaut werden. Doch Käseplatten und Suppe gibt es natürlich weiterhin.
Wenn das Wetter noch einigermaßen mitspielt und wir das Geld verdienen können, dann möchten wir im Winter weitermachen. Die Sonnenschirme, die großen bunten Sonnenschirme werden dann eingepackt und es soll ein Zwei-Master Zirkus-Zelt aufgebaut werden, wo dann die Vergebung weiter geöffnet hat.
Für Andreas ist Bethlehem der metaphorische Start in eine neue Zukunft, sich dort niederzulassen. Er verbindet Bethlehem mit Leid, Elend und einer einzigen politischen Katastrophe.
Und das sind die Themen, die mich eigentlich vom Betlehem interessieren. Und da baue ich mir in meinem Kopf jetzt sozusagen mein Betlehem auf. Und das wird sich dann auch im Platz widerspiegeln, dass ich schon den Platz so gestalte, wie ich mir das Bethlehem vorstelle.
Support von Juliane Nagel und Marco Santos bei der neuen Standort-Findung
Der Umzug in einen anderer Stadtteil kam für Andreas Strobel nicht in Betracht. In Grimma hat er vorerst eine Halle gemietet, wo alles untergestellt wurde. Nach Gedankenspielen, ob der Rote Stern eine Gastronomie gebrauchen könnte oder das Gleisdreieck eine Option darstellt, konnte Juliane Nagel (DIE LINKE) und Marco Santos schließlich zum entscheidenden Kontakt verhelfen.
So eine Solidarität, wenn man bei null anfängt in einem anderen Viertel, kann ich mir nicht vorstellen.
Abgeschlossen ist das Kapitel der Bornaischen Straße 33 für Andreas jedoch noch nicht. Zu seinem Kummer.
Wir haben ja gesagt, dass wir gehen – aus der Vergebung. Und die andere Seite sagte: „Der geht niemals!“ und haben bei Gericht eine Räumungsklage beantragt. Und als die Räumungsklage genehmigt wurde, waren wir aber schon längst weg. Da waren einfach die Räumlichkeiten schon leer. Und plötzlich sind wir nicht mehr da. Und da fällt dem Anwalt der Gegenseite ein: „Ach, eigentlich brauche ich die ja jetzt nicht mehr, die Räumungsklage.“ Doch die Kosten die dadurch verursacht worden sind, soll ich bezahlen. Also stehen wir wegen den Kosten jetzt vor Gericht, weil ich die nicht bezahlen will.
Die Sandkönigin | Eine Website erzählt seine Geschichte
Auf einer geradlinigen Website mit dem Namen „Sandkönigin“ schreibt Andreas auf, wie sich die Dinge entwickeln. Untergliedert nach gestern, heute, morgen und zwischendrin können Neugierige hier nachlesen, welche kleinen und großen Etappen bis zum Hier und Jetzt schon gemeistert wurden.
Das ist mir schon ein Anliegen, den Leuten immer den Stand der Dinge zu sagen. Und rein vom Hören der Leute gucken schon sehr viele immer mal auf diese Seite und ja, da soll es auch, wenn erst mal das größte hier geschafft ist, auf jeden Fall auch weitergehen.
Das komplette Interview mit Andreas Strobel als Podcast
In einem 45 minütigen Interview erzählte Andreas mir, wie sein Traum von der Zukunft des Zaubergartens mit Zirkuszelt aussieht. Was ihn am meisten am Abschied der Vergebung berührt. Und warum das Kneipenleben so stark an ihn als Person gekoppelt ist.
Wer mehr von Andreas Geschichte erfahren möchte, lauscht Podcast-Folge #10.
Wann? Wie? Wo?
Vergebung jetzt auf Bethlehem
Neudorfgasse 1
täglich ab 15 Uhr
www.sandkoenigin.de