Leipzig möchte bis 2030 zur Zero Waste City werden. „Zero Waste“ = „Null Müll“?! Das wäre eine Utopie. Doch „Null Verschwendung“, wie Zero Waste ebenso übersetzt wird, trifft den rostigen Nagel auf den Kopf. Welche Teile des Abfalls können im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwendet, repariert oder umfunktioniert werden? Wie kann rücksichtsvoller Konsum gelingen, der „Second Hand“ als Plan A verinnerlicht und nur im Notfall Ressourcen „neu kauft“?
Mit dem Ziel „Zero Waste City“ zu werden, steht Leipzig vor großen Aufgaben. Denn Müllvermeidung ist weniger ein politisches Thema, als eine höchst persönliche Angelegenheit, für die eine Stadt allem voran geeignete Rahmenbedingungen schaffen kann. Seinen eigenen Müll sortenrein zu trennen, kann die Stadt Leipzig keinem Haushalt abnehmen.
Doch dafür zu sensibilisieren, warum bunt gemischte Müllbeutel jegliche Wiederverwertung verhindern, wird ein Hauptanliegen der bevorstehenden Jahre werden.
Leipzigs Traum eine Zero Waste City in Europa zu sein
Die Vision einer Zero Waste City wird innerhalb Europas von verschiedenen Städten verfolgt. Gelingt es den kandidierenden Städten bis 2030 ihre Siedlungsabfälle um 10% zu reduzieren, werden die Konzepte und Erfolge der ersten europäischen Zero-Waste-Citys anderen Städten ein Leuchtturm sein, um in gleichem Maße dieses stadtgesellschaftliche Thema anzugehen.
Wie wird Leipzig bis 2030 Zero Waste City?
Da Abfallvermeidung und ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen so vielschichtig sind, fällt der Blick auf viele Baustellen gleichzeitig. Das sind neben den privaten Haushalten nämlich vor allem auch verschwenderisch agierende Branchen, Gewerke und Lebensbereiche, die im größere Stil durchleuchtet werden müssen.
1. Ohne unsere Mülltrennung, keine Wiederverwendbarkeit!
Den Müll im eigenen Haushault nach Sorten zu trennen, ist das Kleinste, was jeder Mensch tun kann und hat gleichzeitig die allergrößte Wirkung. Damit Biomüll kompostiert werden kann, dürfen keine Plastiktüten ihn umschließen. Auch im Restmüll können Bioabfälle nicht wieder zu organischen Substanzen zerfallen. Plastikverpackungen, Pappe und Papier sowie Glasmüll gehören in getrennte Entsorgungswege. Ein System, auf das wir alle zugreifen können. Je mehr wir diese Sortierung missachten, desto weniger Handlungsspielraum hat die Stadtreinigung, die Abfälle sinnstiftend weiterzuverwerten.
Unsicherheiten, was in welche Tonne gehört, sind dabei an der Tagesordnung. Wer diese beseitigen will, hängt sich diese nützliche Übersicht in die Küche: MÜLLTRENNUNG leicht gemacht! Was gehört in welche Mülltonne?
2. Leipziger Kreislaufwirtschaft muss alltagstauglich werden
Ein großer Ansatzpunkt ist dabei die Stärkung des Leipziger Umgangs mit wiederverwendbaren Dingen. Es ist ein unumgänglicher Bildungsauftrag den Leipzigern und Leipzigerinnen transparent zu machen, welche Alternativen es zu „entsorgen“ und „neu kaufen“ geben kann.
Es gibt Lebensbereiche der Stadt, in denen Kreislaufwirtschaft bereits boomt und andere, die vielen Einheimischen noch gänzlich unbekannt sind:
- Flohmärkte bringen Kleidungsstücke, Haushaltswaren, Kindersachen, Bücher, Geschirr und sogar Möbel zurück in den Kreislauf
- Second-Hand-Läden sind zeitlich immer verfügbar
- Umsonstläden und Tauschläden funktionieren gänzlich ohne Geldbeutel
- An- und Verkauf-Läden
- Über 40 Tausch-Schränke in der ganzen Stadt verteilt
- Verschenkekisten in den Stadtvierteln
- 17 FairTeiler (Foodsharing-Stationen und Lastenräder)
- Material-Oasen (Materialbuffet, KunZstoffe & co)
- Ein Leihladen (um Dinge nur kurzzeitig zu nutzen, anstatt dauerhaft zu besitzen)
- Bibliotheken
- Eine Ludothek (in der Spiele ausgeliehen werden können)
- Reparatur-Werkstätten
- Reparatur-Café zur Selbsthilfe
- Upcycling-Projekte wie Restlos (zur kreativen Weiterverwertung ausgedienter „Abfälle“)
- Und so viel mehr …!
3. Gebrauchtwarenkaufhaus und Reparaturbonus für Leipzig
Ein komplettes Second-Life-Kaufhaus, welches aussortierten Dingen ein zweites Leben schenkt, ist in Planung. Dieser Ort kann zur Anlaufstelle derjenigen werden, die ausmisten oder mit Liebe gebrauchten Dingen ein neues Zuhause schenken. Gleichzeitig könnten zahlreiche weitere Angebote unter dem gemeinsamen Dach einen Wirkungsort finden – vielleicht ein Foodsharing-Café?
Außerdem soll es dank eines bereits im Pilotprojekt getesteten Reparaturbonus deutlich attraktiver gemacht werden, Dinge in die Reparatur zu geben, anstatt sie sofort abzuschreiben. Denn vielen Elektrogeräten, Schuhen, Kleidungsstücken und Möbeln könnte mit wenig sitzenden Handgriffen geholfen werden, um einen Neukaufen zu umschiffen.
4. Bekomme ich es gebraucht? Oder muss es doch das „Neue“ sein?
Bei der Abfallvermeidung geht es nicht nur darum, sich der Frage zu widmen: „Wohin mit meinem Ramsch?“ Vielmehr müssen wir uns die Frage gefallen lassen: „Warum entsteht bei mir aus Neuware immer wieder „Ramsch“?
Denn es ist zwar ein liebenswerter Ansatz, Überflüssiges zu verwerten anstatt zu entsorgen. Aber gleichzeitig hilft auch eine Sensibilisierung für das eigenen Konsumverhalten.
- Muss ich es besitzen?
- Oder reicht es, mir das auszuleihen?
- Kann ich es mit jemandem teilen, der es ebenfalls braucht?
- Wie kann ich herausfinden, wer so etwas hat? (Stadtteil-Telegram-Gruppen mit tausenden Menschen helfen bei nahezu jeder Suche in Windeseile!)
- Wo finde ich es gebraucht, wenn ich es besitzen möchte?
- Gibt es Orte, Gruppen oder Plattformen dafür?
- Wie dringend ist es? Habe ich Zeit abzuwarten, ob z.B. der richtige Schreibtisch bald bei Kleinanzeigen aufploppt?
- Alle 7 Optionen führen nicht zum Ziel? Dann zieh los und schaff es an.
- Und wenn du kannst und möchtest: Stell es anderen Mitnutzenden zur Verfügung.
5. Der prüfende Blick in Branchen, die Abfall verursachen
Gleichzeitig geht es Unternehmen, die verschwenderisch agieren, an den Kragen. Und da es nicht transparent ersichtlich ist, wie es hinter den Kulissen zugeht, muss zusammengearbeitet werden.
In Workshops und Arbeitskreisen der einzelnen Branchen und Gewerke werden Herausforderungen im Branchenzweig durchleuchtet und Alternativen gesucht. Wo entsteht Verschwendung und wie kann dieser zukünftig entgegengewirkt werden?
Es ist unabdingbar zu diesen Fragestellungen an einen Tisch zu kommen, einerseits um aufzuklären und andererseits miteinander kritische Fragen zu diskutieren. Eine Knopfdrucklösung gibt es nicht. Stattdessen muss jede Branche höchst individuell analysiert werden.
6. Erste Idee aus der Bevölkerung: „Mein Leipzig schon‘ ich mir!“
Im Rahmen eines Ideenwettbewerbs wurden 140 Vorschläge eingereicht, wie der motivierende Slogan für diese ehrgeizige Ziel lauten kann. Mit „Mein Leipzig schon‘ ich mir! Ressourcen schonen, Zukunft wagen!“ drückt er aus, was uns alle mit dieser Vision verbindet.
Jetzt liegt es nicht nur an der Politik, sondern jeder einzelnen Leipzigerin und jedem Leipziger mitzumachen. Still und wirkungsvoll. Oder laut und kämpferisch. Der Startschuss zur Beteiligung ist bereits gefallen.
Öffentliche Bürger-Beteiligung am 8. Mai in der Stadtbibliothek:
Am 8. Mai ist jeder eingeladen, der im Rahmen einer öffentlichen Bürgerbeteiligung Ideen beisteuern und mitdiskutieren möchte. In der Leipziger Stadtbibliothek könnt ihr unter vorheriger Anmeldung von 16 bis 18:30 Uhr dabei sein. Es wird eine Kinderbetreuung mit Beschäftigungsangebot für Kinder ab 4 Jahre geben. Je mehr Menschen, desto mehr Ideen!
7. Digitale Chance, sich einzumischen und Ideen zu entwickeln
Ideen und Blickwinkel können auch digital übermittelt werden und in die Kampagnenarbeit einfließen. Bitte gebt möglichst konkrete Ideen oder Hinweise ein. Dies erhöht die Chance, dass sie für die Strategieerarbeitung genutzt werden können.
Eure Ideen sind gefragt:
Abfälle aus privaten Haushalten
Alle Vorschläge fließen in den Fachworkshop am 20.09.2023 ein.
Kultur-, Sport- und andere Veranstaltungen
Alle Vorschläge fließen in den Fachworkshop am 24.05.2023 ein.
Soziales & Gesundheit
Alle Vorschläge fließen in den Fachworkshop am 20.06.2023 ein.
Bildungseinrichtungen
Alle Vorschläge fließen in den Fachworkshop am 30.08.2023 ein.
Handel & Gewerbe
Alle Vorschläge fließen in den Fachworkshop am 04.07.2023 ein.
Öffentliche Verwaltung
Alle Vorschläge fließen in den Fachworkshop am 18.10.2023 ein.
→ Hier könnt ihr eure Vorschläge einbringen.
PODCAST über Leipzigs Zero Waste Offensive:
Im Interview mit Julia Görner, Projektleiterin der Zero Waste Offensive, erzählt sie mir, was wir in den nächsten Monaten und Jahren erwarten können, was Abfallvermeidung genau bedeutet und warum die Politik auf Beteiligung und Bereitschaft der Gesellschaft dringend angewiesen ist:
Mehr Infos zu „Leipzig goes Zero Waste“ im Netz:
Mein Leipzig schon‘ ich mir // Zur Webseite
inklusive aller Infos & Veranstaltungsterminen