Am 31. Mai 2023 muss die Distillery – einer der bedeutendsten und einflussreichsten Musikclubs in Deutschland endgültig ihre Türen am Standort Kurt-Eisner-Straße schließen.
„The Last Dance“ – diesmal wirklich und nicht mehr verschiebbar findet über 72 Stunden mit kleinen Unterbrechungen von Freitagabend bis Pfingstmontag 22.00 Uhr statt. Den Höhepunkt stellt eine Kundgebung vor der Distillery am Pfingstmontag von 14.00 bis 22.00 dar, natürlich mit viel Musik aber auch wichtigen Redebeiträge. Das komplette Line-Up des Pfingstwochenendes ist auf der Website www.distillery.de zu finden.
Leipziger Instrumente zum Schutz der Clubkultur reichen nicht aus
Trotz jahrelangen politischen Kampfes und einiger vielversprechender Beschlüsse des Leipziger Stadtrates ist es nicht gelungen, die Belange der Kultur gegenüber finanziellen Interessen von Immobilenprojektentwicklern durchzusetzen. Dies zeigt, dass die Instrumente zum Schutz der Clubkultur bei Weitem nicht ausreichen und dringend politische und gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich sind.
Als im Februar 2009 vor der Distillery eine neue Straße gebaut und sich damit Straßenführung durch das Gebäude andeutete, wurde das Distillery-Team um Steffen Kache das erste Mal stutzig. Die Frage war:
Wurde die Distillery einfach vergessen, obwohl der Leipziger Kulturausschuss erst wenige Jahre zuvor den Club als kulturell wichtige Institution anerkannte?
Als ein Jahr später die Ausschreibung für den städtebaulichen Wettbewerb zum Bayerischen Bahnhof stattfand, fand die Distillery trotz mehrmaliger Interventionen in den Unterlagen nicht statt. Kein Wort von einer kulturellen Einrichtung, die es zu erhalten und in die Entwicklung der Planungsfläche einzubeziehen gilt.
Seit Jahren kämpft die Distillery Leipzig um ihr Überleben
In Folge einer Onlinepetition mit über 10.000 Unterschriften, einer Kundgebung im Herbst 2013 mit mehreren tausend Menschen vor dem Club und der Unterstützung aller Leipziger Bundestagsabgeordneten, bekannte sich der Leipziger Stadtrat im Januar 2014 zum Erhalt der Distillery am Standort Kurt-Eisner-Straße und forderte eine Anpassung der Planungen, um einen Weiterbetrieb des Clubs zu ermöglichen.
Die Euphorie währte nur kurz, denn der damalige Grundstückseigentümer und Entwickler machte schnell deutlich, dass ihn dieser Stadtratsbeschluss nicht interessiert und er keine Zukunft für die Distillery auf seinen Flächen sieht. Ein Hauptargument für diese Aussage war neben bereits geschaffenen Tatsachen wie der Straßenführung, dass Wohnen und eine Vergnügungsstätte nicht miteinander vereinbar seien. Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass Clubs endlich in der Baunutzungsverordnung als kulturelle Orte festgesetzt werden, um dieses Argument gegen den Erhalt von Kulturorten zu eliminieren.
Das Gleisdreieck als Ausweichort für die Distillery Leipzig
Anfang 2019 wurde der Distillery das ehemalige Bahnkraftwerk in Marienbrunn als Ersatzstandort angeboten und mit Mitteln der Vermieter von Distillery und TV-Club die Leipziger Club- und Kulturstiftung gegründet. Die Stiftung erwarb das alte Kraftwerk und startete das Projekt Gleisdreieck – ein neuer Ort für Musik, Kunst und Kreativität im Leipziger Süden mit dem Ziel, die beiden bedrohten Clubs zeitnah nach Auslaufen der Mietverträge auf diesen Flächen unterzubringen.
Leider stellte sich schnell heraus, dass es zeitlich aufgrund langwieriger Planungsprozesse und finanziell durch die unzureichende Ausstattung der Stiftung mit Kapital, nicht möglich war, das Ziel der Rettung der Clubs auf dem Gleisdreieck zu erreichen. Die Realisierung des Projektes „Gleisdreieck“ ist erst nach 2026 zu erwarten.
Übergangslösung auf der alten Messe Leipzig
Dennoch wurde eine Übergangslösung für die Distillery auf der Alten Messe gefunden. Auch hier gab es Verzögerungen aufgrund einer komplexen Brandschutzlage. Im April dieses Jahres wurde der Bauantrag für die Umnutzung der Flächen gestellt.
Die Zielstellung ist, noch in diesem Jahr den Betrieb der Distillery in der Messehalle 7 aufnehmen zu können.
Mit den aktuellen Bestimmungen eine Versammlungsstätte zu planen und schließlich genehmigen zu lassen, ist ungemein komplex und kostspielig geworden. Gerade für junge Kreative, die voller Ideen aber ohne finanzielle Ausstattung einen eigenen Club eröffnen wollen – so wie wir es mit der Distillery vor 30 Jahren konnten – ist es quasi unmöglich geworden, ihre eigenen Orte zu schaffen und zusätzlich noch genug finanziellen Spielraum zu haben, um ein kulturell hochwertiges und bezahlbares Programm auf die Beine zu stellen.
Umso wichtiger ist es, entweder vorhandene Orte zu erhalten oder sicherzustellen, dass ausreichend finanzielle Unterstützung für die Schaffung von Ersatzflächen zur Verfügung gestellt wird. Hier knüpft unsere Forderung nach einem Kulturraumschutzgesetz an – angelehnt an das Bundesnaturschutzgesetz. Denn dann würden nicht nur erhebliche Mittel in den wichtigen Artenschutz fließen, es gäbe auch die Verpflichtung für Investoren, für den Erhalt von Kreativflächen finanziell aufzukommen.
Pressemitteillung: Distillery Leipzig