Es ist Mittwoch kurz nach Mittag als ich meine erste Facebook-Nachricht von Martin bekomme. Schon seit langem kennen und schätzen wir die Arbeit des anderen. Nur der persönliche Kontakt ließ noch auf sich warten. „Wollte dir nur mal sagen, dass ich dein Leipzig Leben sehr gut finde“ lauteten seine ersten Worte und das Eis war gebrochen. Nach kurzem Überlegen wann und wie wir es schaffen könnten, einander kennenzulernen und unsere Blogs miteinander zu verknüpfen, schlug ich vor, ihm einmal über die Schulter zu schauen, wenn er einen weiteren Helden portraitiert. „Erm. Warum wirst du nicht einfach ein Held? “ entgegnete er herausfordernd.
Ich – ein Held? Wie kommt er denn darauf? Ich sagte zu. Wir verabredeten uns für den nächsten Vormittag und ich beschloss dieser und ein Dutzend weiterer Fragen, die sich über Nacht in meinem Kopf aufgeworfen hatten, bei einem vis-a-vis nachzugehen.
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Martin Neuhof – Wer ist dieser Kerl?
Vor der Lutherkirche im Johannapark erblicke ich schon von weitem sein markantes Mützchen. Zahlreiche Bilder, die von Martin im Netz kursieren, sagen mir: „Das muss er sein!“ Noch weiß ich nicht so recht, was auf mich zukommt. Laut eigenen Angaben, fotografiert der junge Mann seit er 16 ist beherzt LeipzigerInnen und was ihm sonst noch vor die Linse springt. Wenn ich mir seine Bilder so anschaue, fällt es mir nicht schwer das zu glauben. Ganz offenbar weiß er, was er da tut. So lege auch ich meine Scheu ab und harre der Dinge.
Aber nun zu der alles entscheidenden Frage: Wie will er denn bitteschön einfach so über Nacht aus mir einen waschechten Helden machen? Wie erging es den 70 Helden und Heldinnen vor mir? Und welches Schicksal wird die noch Folgenden ereilen?
Wikipedia lehrt mir: „Ein Held ist eine Person mit besonders herausragenden Fähigkeiten oder Eigenschaften, die sie zu besonders hervorragenden Leistungen, sog. Heldentaten, treiben.“ Aber bei unserem Treffen, macht Martin keineswegs den Anschein meine Fähig- und Fertigkeiten auf Herz und Nieren zu prüfen, ob meiner Heldenwürdigkeit. Auf meine Frage hin, löst er das Rätsel: „Jeder ist ein Held, in dem was er macht und wie er es macht.“ Es sind die kleine Dinge im Leben, alltägliche Situationen in denen wir unsere wahre Größe nach außen kehren.
Von der Straße in den Blog
Na aber wenn doch sowieso jeder ein Held ist, warum dann ausgerechnet 101 Portraits? Richtig, da 101 die optimale Seitenanzahl für eine potentielle Hardcover-Bindung sind! Und man davon mal ganz abgesehen wohl kaum noch eine ruhige Minute hat, wenn man sich vornimmt 500.000 Leipziger abzulichten. Ein Kriterium musste her. Eines das Martin ermöglichte, einen Querschnitt der Gesellschaft abzubilden ohne sich dabei allzu sehr von subjektiven Empfindungen leiten zu lassen.
Heraus fielen damit schon einmal Martins Bekanntschaften und all jene, die nicht in Leipzig wohnten. „Portraitiert wird nur beim Erstkontakt“ verrät Martin mir im Gespräch. „Habe ich einmal meine Kamera nicht dabei, ist das in vielen Fällen zwar bedauerlich, aber nicht zu ändern.“ Shooting-Termine in diesem Sinne gibt es nur, wenn der Kontakt sich (wie in unserem Falle) nicht auf der Straße ergibt. Da kann es auch schon einmal vorkommen, dass er eine freie Mittagsstunde zum spontanen Facebook-Casting nutzt und die Leipziger Innenstadt zur farbenfrohen Kulisse wird.
In meinen Augen liegt darin sein Geheimrezept wahrlich authentische Gesichter darzustellen. Nach unserem 2 stündigen Spaziergang ist er für mich kein Fremder mehr. Als Fotograf, Leipzig-Liebhaber, Zuhörer und Mensch ist auch er ein wahrer Held und verdeutlicht mir damit nur, wie richtig er mit seiner Theorie liegt, dass in jedem von uns etwas Heldenhaftes schlummert. Zu Recht wird er nach Abschluss seiner 100-teiligen Portraitserie mit seinem Bild den Abschluss machen.
Wer jetzt Lust bekommen hat, mit Martin und seiner Kamera auch einmal eine Runde spazieren zu gehen, hat dank seiner ausgesprochen regen Social Media Aktivität viele Möglichkeiten ihn zu kontaktieren:
- Martin Neuhof Fotografie | Facebook
- @ritman77 | Twitter
- Fotostream von Martin Neuhof | flickr
Für alle anderen, die sich damit begnügen, einen Blick mehr auf sein fotografisches Machwerk zu richten, lohnt der regelmäßige Besuch dieser Seiten:
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Nice to know:
Geschichtlich betrachtet verlieh man 1989 sogar gleich ganz Leipzig den Titel „Heldenstadt“ und würdigte mit dieser informellen Auszeichnung den mutigen und friedlichen Einsatz vieler Leipziger Bürger, die während der Montagsdemonstrationen den entscheidenden Impuls für die Wende gaben.
Also Leute, aus der Nummer kommen wir nicht mehr raus. Wir alle sind Helden, ob wir wollen oder nicht. Also wenn euch dieser Mann einmal in freier Wildbahn begegnet und um ein Foto bittet – keine falsche Scham ;)Merken